Samstag, 22. Juni 2019

diese tage ...

diese tage kann ich sie zurückholen?
Hinter mir liegen zerbrochene spiegel
scherben auf langen dunklen fluren
aussichtslose endlos gänge ohne türen
tastend, suchend, entlang wänden aus
eis. Brennende hände, schreie ohne laute
aber stets >>> v o r w ä r t s gestürmt
das zurück hatte die größeren schrecken
gefahr lag in der erinnerung.
Es galt alles oder nichts.


Da half nur zähne blecken, fäuste recken
standhaft bleiben, rücken durchdrücken
und rennen, rennen, rennen, rennen mit
den armen rudernd, um sich schlagen
und nicht denken, nur nicht denken
weiter, immer weiter

Da war kein kompass, kein reiseführer
kein wegweiser. Stolpern konnte tödlich
enden. Atemlose pausen, keuchendes
innehalten, augen ohne tränen, haar
ohne glanz, angst besetzter nacken:
Im rückblick verfolgende geister
mit offenen mündern. Sie lachen
und winken, tragen in den händen
weiße zerfetzte fahnen mit schrift
zeichen und buchstaben, unleserlich
doch du kennst die geschichte, die
dort geschrieben steht ...

Am anfang war das wort
unschuldig und jung. Es sprang
durch die reihen, funken sprühten
zwischen den leerräumen, viel
versprechend, hoffnungsvoll
gläubig, es füllte die ersten seiten
ein tagebuch, erlebtes, ungeschrieben
diese tage ...

Das alte blatt hat sich gewendet
die tinte ausgelaufen wie das
pulsierende blut in den adern
sie kommen nicht zurück ...
doch bin ich nicht länger blind
renne nicht ziellos umher, sehe
wieder im spiegel mein bild und
finde manche tür in den fluren

... nicht alle
werde ich
öffnen ...

©dherrmann
© painting dherrmann



Sonntag, 30. September 2018

der heiligenschein


am horizont das leuchten
war eine seele


wohin du gingest
das wird wohl niemand wissen
nur spüren den glanz


die blumen blühten
auf dem felde regt sich leben
stille stirbt der tag


schwerer wird der schritt
eine feder fällt vom dach
folge bald dir nach


schauinsland mein lieb
ein baum wächst ohne früchte
doch fest verwurzelt


das herz fand frieden
da ging ich ohne klagen
der baum trug blüten


©dherrmann ... stille sonnentage
mit schatten auf matten augen



vogel seele

Freitag, 30. März 2018

schwarze tinte

schwarze tinte der nacht
eingetaucht beschreibt
leere blütenblätter

über dem hohen mond
verstecken sich sterne
verwehen verträumt lieder


schwer wiegt der tag
im verwaschenen kleid
hängen graue gedanken

seltsame spiele im wind
lauschen kinder im bettchen
auf das flüstern der elfen

© dherrmann ... lauscht
auch ihr in euren weichen
kissen und denkt an jene,
die solche missen müssen

Dienstag, 26. September 2017

der schoß war fruchtbar noch ...


wir aus der nachkriegsgeneration
haben es gehört und gesehen in
der nachbarschaft bei verwandten
wenn sie die alten lieder sangen
wenn der schnaps die zunge löste
wenn der onkel friedrich in die
gute stube trat zum geburtstag
von tante anna auf dem tisch
der selbstgebackene topfkuchen
vielleicht sogar rosinen war schwer
zu beschaffen auch butter und
richtiger bohnenkaffee ... er hob
die hand zum gruß zackig empor
den arm hochgerissen die finger
geschlossen und rief den namen
und noch wussten wir kinder nicht
was es zu bedeuten hatte, verlegenes
stühlerücken, in die seite stupsen
und tante anna tadelnd aber mit
nachsichtigem lächeln: aber onkel
friedrich... und auf der anrichte
das foto von dem gefallenen helden
nach hinten geschoben die schicke
schwarze schirmmütze aus glänzendem
stoff und dem totenkopf um den
rahmen der trauerflor ... aber später
da lernten wir es in der schule aber
man durfte zu hause nicht darüber
reden und immer wieder an den
familienfeiertagen kam der onkel
und das foto stand auf dem büfett
bis tante endlich zu ihrem heinrich
in die heldengruft gesenkt wurde
und ein paar alte kameraden den
kranz mit den reichsfarben nieder-
legten und das lied anstimmten...
sie hatten ihre geschichten erzählt
und das gift in die herzen und köpfe
geträufelt ...
©dherrmann ... und jetzt wieder
einfach zur tagesordnung übergehen

Donnerstag, 7. September 2017

grenzüberschreitend


rote hasen springen
in grasgrünen tapeten
wänden und der himmel
ist blau und sternenklar
schimmern weißgoldene
engel reiten auf
purpurnen rappen
fahlgelbe blitzgewitter
werden von blassblütigen
jünglingen ausgestreut
triumphbogen weiten sich
aus den arkaden sprengen
vergessene dämonen
reißen münder und maul
affen in ekstatischen
tänzen das ruder herum
im wirbel der dunkelsten
krater entblicken eishellen
augen den trümmern
des weltalls von allem
ein wenig geht
unter die haut
zerrt an den haaren
vernetzt mit fahrigen
strichen schwarzweiß
das gesichtsfeld
schweiß dringt aus
den poren fußsohlen
brennen die hand
sucht festen halt
einen unterstand
dein verstand
auf einer reise
deren ausgang
ungewiss ...

© dherrmann